Die moderne Papierindustrie
Nachdem in
der 1.Hälfte des 19.Jahrhunderts alle bisher von Hand
ausgeführten Arbeitsschritte mechanisiert wurden,
entwickelte sich in der 2.Hälfte die industrielle
Produktion neuer Rohstoffe in eigenen Zellstoff-Fabriken.
Die Rohstofferzeugung wurde damit von der
Papierherstellung abgetrennt.
Der
Zeitraum von der 2.Hälfte des 19.Jahrhunderts bis in die
Mitte des 20.Jahrhunderts war bestimmt durch
Vergrößerung der Arbeitsbreite und Geschwindigkeit der
Papiermaschinen, sowie zahllose technische Verbesserungen
der Maschinenelemente. Elekrische Antriebe lösten Dampf-
und Wasserkraft ab. Weitere Typen von Papiermaschinen,
speziell auf die Produktion besonderer Erzeugnisse
abgestimmt, wurden entwickelt: so die Rundsiebmaschine,
die hauptsächlich für die Erzeugung von Karton und
Pappe verwendet wird, und die für die Herstellung von
leichtgewichtigen Papieren und von sanitären Papieren
aller Art Verwendung findende Selbstabnahmemaschine. Für
die Kartonerzeugung konstruierte man auch Maschinen, bei
welchen mehrere Langsiebe miteinander oder Rundsiebe mit
Langsieben kombiniert sind, wodurch die Anfertigung
mehrlagiger Erzeugnisse möglich ist. Die Arbeitsbreite
der Papiermaschinen wuchs von 85 cm (1830) auf 770 cm
(1930), die Geschwindigkeit stieg von anfangs etwa 5
m/min (1820) auf über 500 m/min (1930).
Neben den
maschinellen Fortschritten erhielt die Zellstoff- und
Papierindustrie in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg auch
wesentliche Impulse durch die Weiterentwicklung der Mess-
und Regeltechnik. Diese
Entwicklung führte zu EDV-Anlagen bzw.
Prozessleitsystemen, die mit Beginn der 60er-Jahre auch
in die Zellstoff- und Papierindustrie Eingang fanden. Die
moderne Mess- und Regeltechnik gibt dem Papiermacher
immer mehr Möglichkeiten, den gesamten Produktionsgang
stärker zu automatisieren und damit die
Gleichmäßigkeit seiner Erzeugnisse zu gewährleisten.
Nicht nur die Herstellungsprozesse der verschiedenen
Rohstoffe werden gesteuert, geregelt und überwacht,
sondern auch an den Papiermaschinen selbst werden diese
Aufgaben von elektronischen Vorrichtungen übernommen.
Im
Bestreben, die Blattbildung vor allem bei hohen
Geschwindigkeiten zu verbessern, entstanden in der
zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine ganze Reihe
verschiedener moderner Former, die nach neuen
Blattbildungsverfahren arbeiten und damit auch eine
umwälzende Neuerung im Papiermaschinenbau einleiteten.
Hierher gehören u.a. die Doppelsiebformer für die
Papier- und Kartonerzeugung, die Former für die
Tissuepapiererzeugung, die hydraulischen Blattbildner
für langfaserige Stoffe. Papiermaschinen, ihre
Arbeitsgeschwindigkeiten und damit auch die
Erzeugungsmengen wurden immer größer: die
Maschinenbreiten erreichen bereits 10 m,
Arbeitsgeschwindigkeiten gehen bis zu 2000 m/min. Die
bisher leistungsfähigste Papiermaschine mit einer
Produktion von rund 500.000 Tonnen pro Jahr wurde 1997 in
Gratkorn bei Graz/Österreich in Betrieb genommen.
Aber nicht nur in quantitativer Hinsicht vollzog sich die
Entwicklung, sondern vor allem auch qualitativ. Die an
das Endprodukt Papier gestellten Anforderungen sind in
den vielfältigen Anwendungsbereichen immer mehr
gesteigert worden. Vergleicht man die heutigen Papiere
mit ihren Vorgängern, so wird hier eine enorme
Qualitätssteigerung deutlich. Diese muss umso höher
gewertet werden, als die heutigen Papiere nicht nur mit
wesentlich erhöhten Arbeitsgeschwindigkeiten erzeugt
werden, sondern die heutige Rohstofflage dazu zwingt,
auch sogenannte minderwertigere Holzsorten und
Abfallhölzer einzusetzen. Ökologischer Druck führte
Ende der 80er-Jahre zur Einführung der 100% chlorfreien
Bleiche von Zellstoff (TCF). Sauerstoff und
Wasserstoffperoxid ersetzten nach 200 Jahren das
hochgiftige Chlorgas.
So spiegelt sich in der Entwicklung der Papiererzeugung
von ihren Anfängen bis heute der menschliche
Erfindungsgeist auf dem Wege vom Papyrus zum Papier des
20.Jahrhunderts wider. Auch im Zeitalter der neuen
elektronischen Medien hat das Papier nicht an Bedeutung
eingebüßt - im Gegenteil. Die Anforderungen an Mengen
und Qualität sind langfristig im Steigen begriffen.
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